Was bleibt, wenn Corona weg ist? Ein erstes 10-Punkte-Fazit
Es startet mit einem Witz: Wenn wir später zurückblicken auf Corona, werden wir uns lachend in den Armen liegen und sagen: „Das waren vielleicht verrückte 12 Jahre!“
Natürlich wissen wir heute noch nicht, wie lange es noch dauert, aber selbst die größten Pessimisten gehen von einem Impfstoff im Jahr 2021 aus und damit von der Möglichkeit, die Vorkehrungen des social distancing aufzuheben oder zumindest weitgehend zu lockern.
Aber genau an diesem Punkt setze ich meine Frage!
Wird der Handschlag zur Begrüßung zurückkommen, als Geste und Kulturgut?
Vielleicht nicht in den Zeiten der Grippewellen, aber grundsätzlich schon, vielleicht auch gepaart mit anderen Formen der Begrüßung, aber auf die Nähe im engen Freundes- und Familienkreis wird niemand verzichten wollen.
Ich meine, Herzlichkeit wird angepasst und anders dosiert zurückkommen.
Auch im Supermarkt wäre es aus meiner Sicht sinnvoll, die Plexiglasscheiben bei den Kassierern und die Abstandsregeln beim Anstellen an der Kasse beizubehalten, das entspannt. Den Atem des Nächsten im Nacken zu spüren ist nicht das beste Gefühl, auch ohne COVID-19 schon.
Ich meine, mit den Maßnahmen im Supermarkt haben wir Qualität gewonnen.
Zwei, von vielen Punkten, die man hier zusammentragen kann, die sich verändern oder verändert haben, die sich teilweise zurückdrehen werden oder aber in einer sehr ähnlichen Form bleiben werden.
Welche Themen bleiben, welche Themen gehen wieder weg, welche Themen sollten wir beibehalten und welche sind nicht mehr wegzubekommen, auch wenn wir sie nicht mögen?
Erläuterung: Ich nutzen den Begriff Remote Work für den Text. Aus meiner Sicht steht dies synonym für Homeoffice, Flexwork und alle weiteren Begriffe, die für Arbeiten nicht an einem festen Arbeitsplatz im Unternehmen verwendet werden.
Remote Work per Gesetz: Eine Gesetzesinitiative kann die Veränderung der Grundhaltung der Menschen nicht erreichen. Es ist schön, wenn es weitere Rechte gibt, Menschen in der Beschäftigungswelt mit den Veränderungen Schritt halten zu lassen. Das Recht auf Remote Work gehört für mich nicht dazu. Nicht nur die Abhängigkeit von der Tätigkeit, und ich will hier nicht die Pflegenden, Müllarbeiter oder Baggerfahrer oder die Piloten von Passagier-Linienflügen heranziehen, davon haben wir genug Memes und Filme während der COVID-19zeit gehabt, sondern auch die Fähigkeit einer gesamten Organisation, kann nicht per Gesetz auf Remote Work umgebaut werden.
Es konnte im Rahmen der Pandemie, mit der Inkaufnahme von persönlichen Einschränkungen und zum eigenen Wohl geschafft werden, Zweige der Wirtschaft durch die „Anordnung“ von Remote Work per Virus aufrecht zu erhalten.
Die Organisationen, die sich auf das Remote Work einlassen konnten, sind vermutlich nicht die Mehrheit der Mitarbeiter in Deutschland (ich kennen die Zahl nicht), aber in vielen Fälle sind Unternehmen, die ohnehin schon digital geprägt sind, oder die Arbeit digital geprägt durchführen können.
Ein Gesetz hebelt Prozesse aus, die in Unternehmen wichtig sind, wenn eine Kultur der Arbeit geschaffen werden muss, die ein Remote Work ermöglicht.
Durch ein Gesetz berufen sich die Mitarbeiter auf Standards, deren Ausgestaltung viele Unternehmen weder in Ihren Arbeitsverträgen oder Tarifverträgen implementiert haben, noch Techniken im Unternehmen vorhalten, die dem Anspruch gerecht werden können.
Ich meine, ein Gesetz hilft hier nicht, um Kulturwandel in Unternehmen zu erzeugen.
Remote Work als Regel: Die Menschen leiden heute im Homeoffice unter sozialer Isolierung und wünschen sich, wieder im Office arbeiten zu können. Der Mensch ist ein soziales Wesen und benötigt soziale Kontakte, um sich ausgeglichen und wohl zu fühlen. Auch wenn in vielfacher Hinsicht von Dauer-Remote Work-Verfechtern die Vorteile eingebracht werden, deren Sinn ich nicht anzweifele, bleibt der Wunsch der meisten Menschen, sich in der beruflichen Umgebung mit Kollegen auszutauschen und zumindest gemeinsam Kaffee zu trinken oder gelegentlich gemeinsam zu Mittag zu essen.
Auch wenn Unternehmen wie twitter.com angekündigt haben, den Mitarbeitern die Wahl des Arbeitsplatzes freizustellen, bleibt es sicher auch dort nicht dabei, dass die ganze Firma Remote aus dem Homeoffice arbeiten wird, sondern die Mitarbeiter zum Tagesgeschehen Ihre Arbeitsort anpassen werden. Allein die Freiheit der Wahl ist ein Mehrwert, der fast in die Kategorie Work-Life-Balance gehören sollte und als Wettbewerbsvorteil bei der fight for talents dienen kann.
Ich meine, Remote Work als Regel für alle, ist ebenfalls kein Weg zur erfolgreichen Umsetzung von neuen Arbeitsformen in einem Kulturwandel.
Remote Work als notwendige Arbeitsform: Alle bisherigen Bedenken wurden per Pandemie über Bord geworfen. Führungskräfte können ihre Mitarbeiter auch ohne persönliche Anwesenheit führen, Mitarbeiter arbeiten (sogar) im Remote Work und sind dabei auch noch ähnlich effizient. Auch Meetings können im Homeoffice abgehalten werden, mit Vielen und mit einer Ordnung, an die sich auch alle halten. Und eine wesentliche Erkenntnis meiner COVID-19-Zeit ist: Ein Präsenz-Termin (physisch Anwesende in einem Raum) dauert in der Regel solange, wie er im Kalender eingetragen ist, ein Remote-Termin (alle Remote/Homeoffice) dauert solange, wie Inhalte vorhanden sind. Trotz einer großen Zahl an Terminen im Homeoffice konnte ich mein Postfach wesentlich besser im Blick behalten, weil die Termine nicht nach 30, 45 oder 90 min. enden, sondern durch Auflegen beendet werden, wenn alles gesagt ist. Das sollten wir unbedingt in das New Normal nach COVID-19 retten.
Ich meine, alle Unternehmen, die früher noch kein Remote Work flächendeckend eingesetzt haben, erkennen heute den Vorteil und die Notwendigkeit, es zu einer notwendigen Arbeitsform der Mitarbeiter aufzubauen.
Unter den Schlagworten shared teams, shared desk, Ausstattung der Mitarbeiter, digitale Verwaltung, Kollaboration fallen sehr viele Themen, die auf der einen Seite technischer Natur sind, wie Mobilität der Arbeitsmittel und auf der anderen Seite kulturelle Verankerung in der Organisation erfordern.
Die Anschaffung eines Programms zur Kollaboration, z.B. Slack oder MS Teams ist keine Digitalisierung ohne (!) die Einführung in der Mitarbeiterschaft durch Schulung, Change-Begleitung, durch Anleitung und Promotion. Auch wenn wir alle glauben, dass der Umgang mit Chat-Programmen, Office und den Tools der Company geübt und beherrscht ist, ist der Prozess im Rahmen von Kollaborations-Tools sehr viel komplexer und bedarf individualisierter Konzepte für das jeweilige Unternehmen.
Ich meine, die jetzt, mit guter Intension eingeführten Tools sollten weitergeführt werden und gezielt mit Maßnahmen zur Implementierung in die Arbeitskultur gefördert werden. Ein sich „Selbstüberlassen“ ist eher kontraproduktiv.
Für die Einrichtung der Arbeitsplätze erscheint schon jetzt zu gelten, dass nicht jeder einen festen Arbeitsplatz benötigt, wenn er ohnehin zwei Tage in der Woche Remote arbeitet. Neue Arbeitsflächenkonzepte werden sich um die anfallenden Arbeiten gestalten müssen und nicht mehr ein Konzept für alle im Unternehmen ausgerollt. Auch eine Reduzierung der Arbeitsplätze, wie heute auch schon üblich auf unter 80% wird sich weiter ausbreiten.
Ich meine, die Neugestaltung von Arbeitsflächen und nicht mehr Arbeitsplätzen muss Fokus im Rahmen des kulturellen Wandels sein.
Die Mitarbeiter kommen heute schon auf Ihre Führungskräfte zu und wollen nicht mehr im Homeoffice arbeiten, weil sie selbst feststellen, wie schön und wertvoll der Austausch mit den Kollegen vor Ort ist. Das kann ich für mich auch eindeutig bestätigen, der persönliche Austausch Face to face ist wichtig und auch durch die beste Videokonferenz und ein gut geübtes Interaktionskonzept nicht zu ersetzen. Allerdings kommen nahezu alle Mitarbeiter auch mit dem klar artikulierten Willen auf Führungskräfte zu, die Flexibilität und Freiheit, die Arbeitszeitrahmen auszunutzen und sehen die derzeitigen Regelungen in den Betriebsvereinbarungen, Konzernvereinbarungen, Tarifverträgen usw. zum Teil (sehr) kritisch. Das klassische Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Gefälle als Treiber für die Mitbestimmungsorgane in Unternehmen scheint sich auf Seiten der Arbeitnehmer neu zu ordnen. Die durch die Vertreter der Arbeitnehmer Vertretenen können klar benennen, was sinnvoll (für sie selbst) ist und was die Produktivität stützt. Das Thema der Work-Life-Balance bekommt hier plötzlich neues Gewicht und wirft alte Denkmuster über Bord. Daran werden sich auch die Betriebsräte gewöhnen müssen.
Betriebsräte, aber auch und nicht erst in zweiter Linie, die Arbeitgeber müssen diese Themen in Ihre Anspruchsdenke aufnehmen und Kultur und Rahmen verändern.
Ich meine, die Autonomie der Mitarbeiter ist durch die Pandemie gestärkt und im Fokus klarer geworden.
Die Rückkehr zur Arbeit im Büro wird eine größere Herausforderung, als der Einzug ins Homeoffice per Befehl zur Abdämpfung der Pandemie. Die ausgeführten Punkte kommen dann überwiegend in die Diskussion und die Arbeitgeber, aber auch die Arbeitnehmer sehen bei guten Leistungen im Remote Work keine Notwendigkeit zur Rückkehr. Daraus kann sich eine Schere ergeben, die zwischen „freiheitsliebenden“ Highperformern und Mitarbeitern, die Führung erforderlich machen, aufgeht und zu weiteren Unstimmigkeiten führt.
Das Thema der Rückführung ist herausfordernd und entscheidend für die Entwicklung des New Normal. (Ergänzung am 26.05.2020)
10 Punkte-Fazit einer Pandemie und den Auswirkungen auf das zu erwartende New Normal:
- Soziale Formen ändern sich, werden sich den Gegebenheiten anpassen, aber die Herzlichkeit wird zurückkommen
- Social distancing z.B. im Supermarkt, ist eine positive Errungenschaft, die es gilt zu standardisieren und dauerhaft beizubehalten
- Arbeit wird verteilter passieren, Remote-Arbeit wird ebenso normal, wie Arbeiten an einem Arbeitsplatz im Büro
- Veränderung der Arbeits-Kultur wird sich beschleunigen, insbesondere als Werte für Unternehmen bei der Suche nach Talenten
- Raum entwickelt sich um die Arbeit und Konzepte für Arbeitsflächen, nicht Arbeitsplätze, werden neu gedacht
- Standard wird zunächst ein fester Arbeitsplatz bleiben, flexible Arbeitsplätze gewinnen aber stark an Bedeutung
- Remote Work per Gesetz zu regeln macht keinen Sinn, der Anspruch wächst durch die Veränderung in die Kultur der Unternehmen – jede gesetzliche Regelung engt Spielräume ein, die gerade erst geschaffen worden sind
- Homeoffice als Regel macht nur dann Sinn, wenn das Unternehmen dafür vorbereitet ist oder das Unternehmen so schon entwickelt wurde
- Mitarbeiter wissen selbst genau, welche Arbeitsform sinnvoll ist und wollen die gewonnenen Spielräume behalten
- Unternehmen müssen ihren kulturellen Wandel beginnen oder verstärken
In allem steckt in erster Linie Kultur und Kulturwandel, den ich zu meinem persönlichen Thema gemacht habe und mit meinem Team die BITMARCK Unternehmensgruppe voranbringen.
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