Wie ändere ich eine Organisation mit mehreren hundert oder gar tausenden Mitarbeitern?
Der Weg der Transformation eines traditionellen Unternehmens kann sehr unterschiedlich sein. Neben einer angeordneten Transformation, meist durch den Vorstand gewollt, gibt es noch die Transformation von Außen durch einen Dritten, der in den Markt hinzutritt und deshalb eine Veränderung erfordert.
Transformationsformen
- Von Außen durch Berater oder durch Marktteilnehmer und/oder Wandel erzwungen
- Von Innen durch eigene Mitarbeiter, ggf. auch durch Marktteilnehmer und/oder Wandel erzwungen
Die Transformation von außen erfolgt durch einen Unternehmensfremden Dritten, der die Veränderungen des Unternehmens z.B. durch Tools vorantreiben.
Hier darf Optimierung, Lean und andere Tools nicht mit einer Transformation verwechselt werden. Gerade in der Transformation ist das Durchhalten und die Überwindung von Widerstände grundlegend, um das Unternehmen und insbesondere die Mitarbeiter ändern zu können. Sie dürfen nicht zurückbleiben, wenn es gelingen soll.
Transformation von Innen kann sich selbst befeuern, indem Teams aufgebaut werden, die die guten Mitarbeiter zusammengeholt werden und diese mit Freiheiten ausstattet, die es im Unternehmen noch nicht gibt. Diese Freiheiten sind kein Selbstzweck, sondern sollten sich auf der Basis von Erfahrungen des Marktes, am besten anderer Branchen, die einen Wandel bereits begonnen haben oder hinter sich haben, gewählt werden. In der Versicherungsbranche werden gern die „Klassiker“ wie AirBNB oder uber herangezogen. Letztlich könnte aber auch google oder Amazon als Plattform oder Ecosystem für den Wandel als Vorlage dienen.
Transformation von außen – 1 von 2
Das erste Team
Das Unternehmen entscheidet sich für eine Veränderungsstrategie und will diese in der Umsetzung von Beratern begleiten oder leiten lassen.
Idealerweise sind die Berater von Beginn der Strategiegestaltung mit an Bord und entwickeln den Zielplan ebenso wie die neuen Tools und die Rahmenwerke für die neue Kultur mit.
Einschub Kultur, eine Definition: Ich spreche gern von Kultur, denn Tools allein sind auf keinen Fall eine Transformation, sondern allenfalls ein Puzzle-Teil. Nur wenn die Kultur angefasst wird und behutsam aber nachhaltig, in manchen Fällen vielleicht auch „brutal“ geändert wird, macht es Sinn von Transformation des Unternehmens zu sprechen. Kultur sind Gewohnheiten der Mitarbeiter, Prozesse des Unternehmens, aber auch der Umgang mit Kommunikation, insbesondere das Öffentlichmachen von Misserfolgen. Gerade in der Kommunikation liegt einer der Schlüssel zum Erfolg.
Die Umsetzung beginnt mit einem kleinen Team und einer Erprobungsphase für Rahmenwerk, Kultur und Arbeitsweise. In diesem geschützte Raum, gern auch Lab genannt, wird ausprobiert und es kommt relativ schnell zu Ergebnissen. Diese aussagekräftig genug, anzudeuten, ob eine Justierung erforderlich ist, damit die Organisation mitgenommen werden kann.
Die Grundlagen in der Organisation
Parallel hat die Gesamtorganisation die Rahmenwerke an den Stellen anzuwenden, wo eine Änderung der Arbeitsgrundlagen, der Technik oder anderer Rahmenbedingungen z.B. aufgrund von Investitionsstau oder -Verzug noch nicht erfolgt sind. Damit verliert die Transformation dann keine Zeit, wenn größere Teile mit ihrem Umbau starten.
Der Berater koordiniert, bildet aus, gibt Personal und achtet auf die Umsetzung des Rahmenwerks.
Umsetzung der Transformation in der Gesamtorganisation
Das erste Team ist die Keimzelle für die Ausbreitung der neuen Arbeitsweise über das Unternehmen. Es werden mehr Bereiche mit den neuen Arbeitsweisen vertraut gemacht. Der Berater achtet auf die Einhaltung der Strategie, kann die notwendigen Spitzen des Umbaus, der Übernahme von Aufgaben, die noch nicht in einer veränderten Arbeitswelt angekommen sind, abfedern und korrigiert zusammen mit der Geschäftsführung das Rahmenwerk und die Strategie in dem Maße, wie es erforderlich scheint, ohne substanzielle in den oben festgelegt Weg einzugreifen.
Wichtig in diesem Wandelungsprozess ist noch, dass die „veränderten“ Mitarbeiter auch weiterhin im Unternehmen arbeiten wollen. Erfahrungen zeigen hier, das bei einer zu großen örtlichen Verlagerung oder einem zu starken Aufbau von extern hinzutretenden Mitarbeitern, die Reintegrationshürde später zu groß ist.
Abschluss der Transformation
Die Transformation sollte sich zu einem stetigen Prozess wandeln, die Mitarbeiter, die Lösungen und Produkte des Unternehmens dauerhaft besser zu machen. Sobald das Rahmenwerk und der kulturelle Wandel in Gang gekommen ist, kann der externe Berater seine Begleitung beenden.
Transformation von außen – 2 von 2
Alternative zu 1 von2 ist hier, das der Berater deutlich früher aus dem Unternehmen wieder austritt und damit nur das Rahmenwerk aufbauen kann. Hier sind die Schulung und Begleitung des ersten Teams und das initiale Setup der Organisation durch den Berater unterstützt, danach werden die weiteren Schritte in der Umsetzung des Rahmenwerks definiert und der Berater geht komplett oder Step by step aus dem Unternehmen raus. Gefahren sind dann die fehlende Erfahrung der Teams und die deutlich größere Eigenverantwortung insbesondere der Geschäftsführung, das Rahmenwerk einzuhalten und den Teams das organische Wachstum in die Organisation zu ermöglichen.
Transformation von Innen
Bei der Transformation von Innen gelten die oben genannten Punkte uneingeschränkt, also Rahmenwerk, Kulturänderung, Teams, Umbau und Mitnahme der Mitarbeiter.
Anders als bei der Transformation von Außen, die doch stark von Oben getrieben ist, ist in der Transformation von Innen der Faktor Mitarbeiter viel stärker zu fokussieren. Damit entsteht die Schwelle, die zu übertreten ist, am Beginn und nicht am Ende des Prozesses.
Die ersten Teams
Anders als bei der Transformation von außen sind in den ersten Teams und in der Kernzelle der Transformation die guten oder sehr guten Mitarbeiter aus Ihren ursprünglichen Abteilungen herausgeholt worden.
Die Kommunikation über die Art und Weise der Arbeit der Teams und die Erfolge und insbesondere der Misserfolge bedürfen eine sehr intensiven Planung und sie müssen von Beginn an als Kommunikationsthema bekannt, geplant und „bespielt“ werden. Sie sind der Beweis für die erfolgreiche Strategieumsetzung in jeder Richtung.
Dies sollte mit aller „Macht“ und sehr exzessiv erfolgen. Vom Erfolg der Teams hängt die Glaubwürdigkeit der Umsetzung des Kulturwandels im Team ab. Nur wenn dies gelingt und daraus ein Sog auf die Mitarbeiter entsteht, kann auch die große Anzahl der Mitarbeiter, die in der Regel nicht offensiv oder gar furchtlos in Veränderung eintritt, mitgenommen worden.
Idealerweise werden die Mitarbeiter der Teams zu so begehrten Frontrunnern, dass Sie von Ihren alten Bereich oder ganz anderen Einheiten im Unternehmen abgeworben werden. Ich spreche hier immer vom positiv besetzten Durchlauferhitzer zum „Bessermachen der Mitarbeiter“.
Rahmenwerk
Die Führung des Unternehmens stellt das Rahmenwerk für die Entwicklung der nächsten 3 bis 5 Jahre auf und beginnt genauso wie in der Transformation von außen mit der Umsetzung der Themen aus dem möglicherweise vorhandenen Investitionsstau.
Parallel werden Kernteams aufgebaut, die die Veränderung der Arbeitsweise und den Change der Kultur aufnehmen und vorleben.
Ausbreitung im Unternehmen
Durch die konsequente Vernetzung der Mitarbeiter der ersten Teams mit Ihren „Herkunfts-“ Fachbereichen entsteht eine breitere Basis im Unternehmen. Die Fachbereiche können eigene Themen in die Labs geben, die dann, wenn der Backlog es zulässt, auch sinnbringend mit neuen Arbeitsmethoden erledigt werden können. Hier sind die Fachbereiche anzuhalten, eigene Mitarbeiter dann projektorientiert an den Themen mitarbeiten zu lassen, um den Rückfluss der Arbeitsmethode in die eigenen Bereiche zu beschleunigen und nicht von „Denen da im Lab“ und dem Rest zu sprechen.
Die Hürde ist in den Fachbereichen leider sehr hoch, da die Ressourcen, die in den ersten Teams die MA sind, die open minded, progressiv und kundenorientiert auch in den Fachbereichen eine hohe Last, inhaltlich, emotional und in der Führung getragen haben.
Transformation breitet sich aus
Mit erfolgreichen Projekten, die innovativ oder scalable oder beides sein können, schwimmt sich das erste Team frei. Durch die in der Regel schnelle und „andersartige“ Umsetzung von Themen entsteht der Wunsch der Fachbereiche seine Themen ebenfalls so umsetzen zu wollen. Dazu bedient er sich dann wieder der ersten Teams, die ihrerseits die Mitarbeiter an neue Arbeitsweisen heranführen.
Der letzte Schritt der Ausbreitung ist dann der „Rückkauf“ der Mitarbeiter durch die alten Teams und der Aufbau eigener transformierter Teams in den Fachbereichen. Wenn dieser Sog entstanden ist, kann die Transformation als implementiert betrachtet werden. Ein zurückdrehen scheint nur schwer möglich, so lange das Topmanagement Kommittent stabil bleibt.
Wenn dieses Punkt erreicht ist, ist auch das Eis gebrochen und der Wandel sickert von oben in die Organisation ein.